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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Brennende Fragen zu Religion, Glaube, Kirche(n) (6):
Uns bleiben Wüstenwege nicht erspart.

März 2013

Der Evangelist Mathäus (4.1-11) berichtet darüber, dass Jesus eines Tages vom "Geist Gottes" in die Wüste geführt wurde. Die Wüste: ein unwohnlicher Kontinent, in dem es bis heute schwer zu leben möglich ist: die große Hitze am Tag und die Kälte in der Nacht, die unendliche Sandwüste und die Sandstürme, die große Wasserknappheit und die wilden Tiere... In der Wüste sein: einen halben Tag lang, mag für Touristen ein großartiges Erlebnis sein; für Wüstenbewohner ist die Wüste schwer zu ertragen. Trotzdem wird Jesus in die Wüste geführt – sogar vom "Geist Gottes".

Warum? Wie es immer schon war: wenn Menschen auf der Suche sind nach dem Sinn ihres Lebens, brauchen sie Ruhe, ziehen sich in die Einsamkeit, in die Stille und Weltferne zurück – wohl geleitet durch die Erfahrung, dass niemand ihnen Antwort auf ihr Persönliches zu geben vermag. Deshalb müssen sie allein sein, bei sich Einkehr halten, um Antworten zu finden auf die Fragen, die ihr persönliches Leben betreffen.

Offensichtlich musste sich auch Jesus Klarheit verschaffen über seinen Weg, über seine Rolle und seine Aufgabe in der Welt, die nur ihm und niemand anderem von Gott zugedacht ist. Er musste über sich selbst im Klaren sein, über seinen ihm allein zukommenden Auftrag von dem, der dazu Kräfte und Fähigkeiten, ein persönliches Gewissen und eine einmalige Persönlichkeit zu geben vermag – alles Voraussetzungen, um das Leben vor sich selbst wie vor Gott verantwortlich zu gestalten. Heute, im Nachhinein, wissen über 2 Milliarden Christen in der Welt, dass Jesus ein großer Religionsgründer geworden ist – der Initiator einer religiösen Bewegung, die Länder und Kontinente erfasste und Menschen zu schöpferischem Kulturhandeln ermutigte.

Wo ein Mensch in sich selbst geht und bemüht ist, eine freie und auf Gott bezogene Persönlichkeit zu werden, um etwas Gutes zustande zu bringen, ist der Teufel immer auch dabei. Er verführt Jesus in der Wüste, wohl mit der Absicht, Jesus zu verunsichern: Warum tust Du Dir die Wüste an? Du könntest es viel besser haben, wenn Du aus Steinen Brot machen würdest statt zu hungern; wenn Du Dich von der Zinne des Tempels herabstürzen würdest und so die Engel zu spüren bekämest, die Dich auf Händen tragen; wenn Du die Worte des Teufels befolgen würdest und so an der Pracht und Herrlichkeit der Welt teilhaben würdest, zudem ausgestattet mit höchster Autorität...

Jesus geht auf die Versuchungen des Teufels nicht ein. Er bleibt dabei: im Gebet und Gespräch mit seinem Vater im Himmel will er Klarheit für seinen Beruf, für seine Berufung und Sendung zum Heil der Welt.

Die Versuchungen Jesu in der Wüste sind beispielhaft für unsere Lebenswege. Auch wir müssen oft durch die Wüste gehen, wenn Eltern eines ihrer geliebten Kinder durch Krankheit und Tod verlieren; wenn der Mann stirbt und seine Frau zurücklässt, mit der er Jahrzehnte lang verheiratet war; wenn Lebenskrisen, Enttäuschungen beim Menschen schwere persönliche Verwundungen hinterlassen; wenn der Mensch in Depressionen und unsägliche Trauer verfällt; wenn Menschen in Hunger und Armut keine Chance haben, zur eigenen Entwicklung und Würde zu finden...

Wir in unseren Breiten sprechen in ausweglosen Lebenssituationen zwar nicht von "Wüste"; aber der unmittelbar Betroffene bei Krankheit und Tod muß doch "Wüstenwege" gehen, die oft für lange Zeit Traurigkeit, Einsamkeit, Verzweiflung... heißen. Andere können dann nur von außen Hilfe leisten. Die eigentlich Betroffenen müssen die Wüstenwege allein durchstehen, durchhalten. Wie kann Gott das Leid und Elend in der Welt zulassen? Gibt es überhaupt einen gnädigen Gott?

Solche Klagen sind immer wieder zu hören. Für viele werden sie der Anfang zum Atheismus, zur Gottlosigkeit. Von anderen ist auch immer wieder zu hören: in schweren Krisen habe ich mehr zu Gott gefunden; ich habe angefangen zu beten; ich bin auf Gedanken gekommen, die ich vorher niemals hatte; früher Wesentliches ist zweitrangig geworden; ich komme mir reifer vor, klarer in der Frage nach dem Sinn des Lebens. Offensichtlich muß der Mensch Vieles im Leben durchhalten, um zu wissen, worauf es ankommt. In seiner Hinfälligkeit wächst die Erwartung auf etwas Ewiges, Endgültiges... Die Wüste ist hart, aber fruchtbar.

Auch die herkömmliche Kirche muß gegenwärtig Wüstenwege und Leer-Pfade gehen. Der Papst ist zurückgetreten; auf den Nachfolger werden – bei dem "Problemstau" seit Jahren - nicht allzu große Hoffungen gesetzt; die Bischöfe werden als unfähig eingeschätzt, das oft feierlich verkündete Prinzip der "Subsidiarität" selbst zu befolgen und durchzusetzen; sie gelten, wo es um die eigene Verantwortung geht, als ängstlich, lahm, zerstritten und ohnmächtig zu eigenen Entscheidungen. Auch hier stellt sich die Frage: Was hat Gott vor, wenn er solche Wüstenwege zulässt? Will er einen "Läuterungsprozess" der Selbstreinigung und Besinnung auf das, was Jesus wirklich gewollt und gesagt hat? Mehr Gott als den Menschen gehorchen?

Wenn nicht alles täuscht, läutet Gott mit allem, was in den letzten Jahrzehnten kaputt gegangen ist, eine neue Epoche ein: das Ende der Obrigkeiten und Hierarchien, der Excellenzen und Hochwürden, der "heiligen Väter"... Er mutet der großen Mehrheit der Gläubigen die ernüchternde, bisher verdrängte Tatsache zu, dass alle in der Kirche nur Menschen sind, nichts als fehlbare Menschen. Mit solcher Einsicht wäre eine neue Epoche angesagt: Ihr sollt euch auf Erden nicht Rabbi, Vater, Lehrer... nennen lassen, "denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder" (und Schwestern) (Mt 23. 8-11).

Wenn gegenwärtig viel von "Basisgemeinden", Klein- und Hauskirchen gesprochen wird, fängt die Uneinigkeit unter Christen schon an. Die einen sehen in ihnen ein "Zurück" zu den Quellen der ersten christlichen Jahrhunderte; eine Chance für die Zukunft des Glaubens; ein Zusammenrücken aller Gutwilligen. Andere sehen sich in ihrer Vorrangstellung als Geistliche und Geweihte bedroht; fühlen sich in ihren geistlichen Ämtern, Privilegien und Weisungsansprüchen gegenüber dem Volk infrage gestellt. Welche Gruppierung wird zum Zuge kommen? Allen steht noch ein langer Kreuz- bzw. Wüstenweg bevor. Im Gebet: "Herr, was sollen wir tun?" kann wohl allein das Licht, die nötige Erleuchtung, die Gabe des hl. Geistes geschenkt werden; weniger im Befolgen dessen, was "von oben" verordnet wird; also von denen, die sich einbilden, mehr "oben" zu sein als andere.

 


Letzte SeitenÄnderung: 13.03.2013.
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