www.fritz-koester.de
Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

"Sündenvergebung" – was öffentlich ist, muß öffentlich vergeben werden.

(Nach Mt. 18.15-20; Mt. 18.21-35; Ev. vom 23. u. 24. So. im Jahreskreis A)

September 2011

Der Säufer. Er hat niemanden umgebracht, hat keine Schuld auf sich geladen... Als "Privatmann" war er ein Säufer. Er war bekannt in der ganzen Gemeinde. Nüchtern war er selten. Eines Tages bekam er Gewissensbisse. Er ging zum Pfarrer, um von ihm die Lossprechung von seiner "Sünde" zu erhalten. Schließlich fühlte er sich von vielen anderen isoliert... Der Pfarrer zögerte. Er wies den reuigen Sünder an, in vier Wochen wiederzukommen. In der Zwischenzeit ging der Pfarrer mit zwei Verantwortlichen seiner Gemeinde zu der Familie des "Reumütigen", um sich ein Bild über die Situation seiner Frau, der Kinder, ihrer finanziellen Lage, der nächsten Nachbarschaft... zu machen.

Nach vier Wochen meldet sich der Betroffene wieder. Der Pfarrer schildert ihm die Situation und fordert ihn zu Schritten auf, die notwendig sind, um die Folgen seines Verhaltens auf Familie und Umwelt zu beseitigen. Er weist ihn darauf hin, dass sich das Saufen in böser Weise auf das Leben der Kinder und anderer Menschen auswirkt. Deshalb kann der Betroffene erst losgesprochen werden, wenn er nachweislich und willentlich die notwendigen Maßnahmen ergreift. Ändert er sich nicht, gibt es für ihn keine Gnade. Das Evangelium fordert sogar, dass bei sehr hartnäckigen Sündern Geduld und langer Atem notwendig sind. Auf die Frage des Petrus: "Wie oft muß ich meinem Bruder vergeben?" antwortet Jesus: "Nicht bis zu siebenmal, sondern bis zu siebenundsiebzig mal".

Dabei ist die soziale Dimension aller Vergehen zu beachten. Was "öffentlichen Charakter" hat, muß auch öffentlich verhandelt werden. Erst wenn die "Flurbereinigung" stattgefunden hat; wenn die Vater-unser-Bitte "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern" ernstlich beachtet wird, kann es für die Apostel heißen: "Was ihr auf Erden bindet, wird auch im Himmel gebunden sein; was ihr löst, wird auch im Himmel gelöst sein".

Es hat Zeiten in der christlichen Geschichte gegeben, in denen die Weisung des Evangeliums sehr ernst genommen wurde. Da konnte der Pfarrer nicht dem Prinzip der "ganz persönlichen Schuld" folgen und – sozusagen im Beichtstuhl unter vier Augen – seine "Amtsvollmacht" der Sündenvergebung zur Geltung kommen lassen. Vielleicht ist deshalb die Beichtpraxis massiv zurückgegangen, weil sie, nach der Auflage einer Buße von einem Gesetz des Rosenkranzes, ohne jede Folgen blieb. Eine verheerende Nachwirkung dieser Praxis persönlicher Frömmigkeit und Innerlichkeit hat zur "Individualisierung" des Glaubens beigetragen. Der Glaube ist "Privatsache" geworden. Kirchliche Zusammengehörigkeit wird nicht mehr als wichtig erkannt...

Das Prinzip "Nicht ohne die Gemeinde" galt auch für andere Bereiche kirchlichen Lebens. Zum Beispiel durfte niemand zum Bischof ernannt werden ohne die Zustimmung des betroffenen Klerus und wichtiger Personen in den Gemeinden. Würde dieses Prinzip heute noch seine Gültigkeit haben, müssten manche Weihbischöfe, Bischöfe und Kardinäle zurücktreten, um wieder Pfarrer in einer Dorf- oder Stadtgemeinde zu werden. Wir hätten keinen Priestermangel mehr... "Gültig und legitimiert" könnte nur einer Bischof werden, wenn die Regeln eingehalten werden. Nur dann würden die Gläubigen ihm Gehorsam und Anerkennung schulden.

Wir sehen heute, dass es im Laufe der Jahrhunderte anders gekommen ist. Der Papst in der Versuchung, Ja-Sager um sich zu versammeln, setzt ziemlich beliebig seine Bischöfe ein. Auch wieder zum Ja-Sagen auserwählt? Jedenfalls bestimmt der Papst, wer "von Gott berufen" ist. Mit den Weisungen des Evangeliums hat das wenig zu tun, höchstens mit Praktiken mittelalterlicher Könige und Fürsten. Das zweite Vatikanische Konzil unter Papst JOHANNES XXIII. wollte im "Zurück zu den Quellen" in manchen Bereichen Abhilfe schaffen. Initiativen in dieser Richtung wurden in der Folgezeit von "Würdenträgern" und "traditionell Gläubigen" vereitelt. Seitdem ist die Bibel zu einer gewaltigen Zerreißprobe für die Kirche geworden... Wer sie dennoch als Maßstab für viele Weichenstellungen einsetzen möchte, riskiert, als "Protestant" und "Ketzer" eingestuft zu werden.

Wenn der Papst demnächst nach Deutschland kommt, sollte er – statt dass die vielen uninformierten Neugierigen die Szene beherrschen - Einiges zu hören bekommen. Als guter Theologe müsste er wissen, worum es geht. Aber: Kirchendiplomat und Politiker geworden, steigt die Neigung zur theologischen Vergesslichkeit. Was "nutzbringend" ist, erhält Priorität. Es muß in den bisherigen Kram hineinpassen...


Letzte SeitenÄnderung: 14.09.2011.
Bitte beachten Sie meine Nutzungsbedingungen.