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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Sonntagsgedanken für den Alltag (5):
"Mensch werden" – mit Gottes und der Menschen Hilfe.

(Nach Joh 1.1-5; 9-14; Ev. v. Weihnachtstag)

Weihnachtsgedanken (Am Tag 2010)

Der heilige Johannes macht sich Gedanken über den Anfang und das Ende aller Dinge. Und behauptet: Alles, was ist; was geworden ist; was geschaffen ist; alle Dinge im Himmel und auf der Erde haben im schöpferischen Wort Gottes ihre Ursache. Deshalb liegt auch allem Existierenden von Anfang an ein Sinn zugrunde. Doch die Menschen sind von sich aus nicht in der Lage, diesen Sinn zu erkennen. Deshalb ist das "Wort Gottes" Mensch geworden. Durch sein Reden und Tun hat der "Fleisch Gewordene" dem menschliche Dasein "Sinn" erschlossen. Doch die Menschen haben auch das wieder nicht erkannt. "Er kam in sein Eigentum, doch die Seinen nahmen ihn nicht auf..."(Joh 1. 11).

Man könnte daraus den Schluss ziehen: erst wenn die Menschen den aufnehmen, der in sein Eigentum kommt, werden sie den Sinn des Lebens verstehen und dabei "Mensch werden". Das Wort "Menschwerdung" spielt an Weihnachten und im Christentum überhaupt eine große Rolle. Wieso eigentlich? Sind wir keine Menschen? Wieso sollen wir noch Mensch werden? Was fehlt uns denn noch?

Wenn wir im Christentum vom "Mensch werden" sprechen, bemerken wir auf Anhieb nicht, dass dieses Anliegen auch in den heutigen Humanwissenschaften eine zentrale Rolle spielt: in der Psychologie, in der Tiefenpsychologie und Psychoanalyse... Mit solchen Wissenschaften sind wir moderne Menschen ja sehr vertraut. Wer ist nicht schon einmal bei einem Psychologen gewesen? Wer hat nicht schon einmal durch irgendeine Therapie Selbsterfahrung, Selbstfindung, Selbstverwirklichung gesucht? Die Psychologie geht von der Erkenntnis aus, dass Schäden und Mängel im menschlichen Leben schon in der Kindheit grundgelegt sein können.

Da ist der Vater zu streng und autoritär gewesen und hat dem Sohn/ der Tochter keine Chance gegeben, ein Selbstwertgefühl zu entwickeln... Da war die Rabenmutter. Sie hat ihr Kind nie richtig angenommen, nie warmherzig in den Arm genommen und vielfältig vernachlässigt... Da war die tätschelnde und verwöhnende Oma, die den Eindruck einprägte, es gäbe im Leben keine Probleme, die jeder selbst lösen muß. Sie würden immer durch Oma oder andere gelöst... Da ist ein Kind, aufgewachsen in sehr ärmlichen Verhältnissen. Dies hat dazu geführt, dass die Armut ein Leben lang kompensiert wird durch Geiz, durch die Anhäufung von Besitz und Gut, durch die Raubgier an den Gütern dieser Welt...

Verhaltensforscher behaupten und beweisen es schlüssig, dass es die Grausamkeiten, die Menschen sich antun, in der Tierwelt nicht gibt. Unter den Menschen herrschen weltweit Machtgier, Besitzgier, Plünderung des Globus, auf dem wir leben, Zerstörung der Umwelt um des Geldes willen, Raubbau an der Pflanzen- und Tierwelt. – Tatsächlich gibt es keine Tagesnachricht mehr, in der nicht von der Tötung einer Vielzahl von Menschen auf der "jeweils anderen Seite" berichtet wird. Ob christlich oder nichtchristlich, ob gläubig oder nichtgläubig – die Menschen gewöhnen sich daran. Sie wehren sich nicht.

Warum ist das so? Weil die Menschen den Sinn und Zusammenhang aller Dinge und Lebewesen nicht begreifen (wollen). Sie sind zu sehr von ihren bewussten und unbewussten Trieben beherrscht. Sie sägen den Ast ab, auf dem sie alle sitzen. Sie zerstören die Natur, die Lebensgrundlage für sie alle ist. Sie machen das wahr, was jemand kürzlich als Hauptproblem für die nächste Zukunft prophezeit hat: die Menschheit zu überzeugen, dass sie etwas gegen ihren eigenen Untergang tut!

Das Evangelium behauptet: der Mensch von sich aus ist unfähig, Mensch zu werden und eine Lebensweise zu erlernen, die dem Leben und Überleben aller dienlich ist. Er bedarf der Befähigung und Orientierung durch den "Mensch Gewordenen", der allem Leben Sinn verleiht. Wenn es den Vertretern der christlichen Botschaft nicht gelingt, den Menschen über das Berauschende ihrer liturgischen Feste hinaus die Wichtigkeit der Besinnung und Sinn-Suche zu vermitteln – wieso sollte es den Psychologen gelingen, die auch nichts anderes tun als dem Menschen zu helfen, jenseits seiner Macken und Gebrechen zu seiner Menschwerdung zu finden? Die größte Gefahr für die Zukunft der Menschheit besteht darin, dass die de-facto-Lebensweise der meisten ihre Gültigkeit behält: Wie zur Zeit des Noach amüsieren sich die Menschen bis zu ihrem eigenen Untergang!


Letzte SeitenÄnderung: 02.03.2011.
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