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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

4. "Ich möchte haben" - "Ich möchte sein".

Deutsche Welle, 14. Okt. 1995.

Verehrte Hörerinnen und Hörer.

Zwei Grundhaltungen sind es, die das Leben bis in die Kleinigkeiten des Alltags hinein zu bestimmen scheinen. Die erste könnte man in dem kurzen Satz zusammenfassen: "Ich möchte haben". Schon beim kleinen Kind fängt sie an. Im Supermarkt kann man leicht die Beobachtung machen, wie ein Kampf stattfindet zwischen der Mutter oder dem Opa und dem 3-jährigen Sprößling. Denn der Kleine möchte haben, was ihm beim Vorbeigehen in die Augen fällt: das Kaugummi, die Gummibärchen, das Überraschungsei, des Feuerwehrauto, den Lego-Kasten und den kleinen Teddybär, der so schön hüpfen kann... Und an der Kasse, am mit vielen Kindersachen beladenen Einkaufswagen kann man als Beobachter schnell überschlagen, daß Mutti oder der Opa wieder einmal eine Schlacht verloren haben...

In uns Menschen steckt ein fast unersättlicher Trieb mit dem Namen: Ich möchte haben! Wenn der 12- oder 14-Jährige aus der Schule nach Hause kommt, weiß er darüber zu berichten, was die Schulkameraden schon wieder alles neu bekommen haben. Das braucht er natürlich auch: das Moped, den Computer, die Sportausrüstung... Und beim fast 18-Jährigen muß das Auto schon ein paar Tage vor dem Geburtstag der Volljährigkeit auf der Straße stehen.-

So geht es während der ganzen Lebensgeschichte auch bei Erwachsenen weiter. Früher hieß es: " Kleider machen Leute". Heute muß man sagen: Das Auto als Standessymbol macht die Leute - möglichst das neueste Modell mit der größten PS-Zahl... Oder die modernsten Möbel, die schicksten Kleider, der nobelste Komfort, die erfolgreiche Karriere... machen die Leute. "Wenn ich einmal reich bin", singt der Hauptdarsteller im Musical "Anatevka", werde ich im Mittelpunkt der Ereignisse stehen, schauen die Leute mich an, habe ich Freunde und Einfluß... "Wer reich ist, gilt zudem als klug...".

In bestimmten familiären oder gesellschaftlichen Konstellationen kann es sein, daß der Trieb "Ich möchte haben" zur unersättlichen Ausschließlichkeit gesteigert wird. Dann fällt kaum die zweite Triebfeder des Lebens ins Gewicht, die Gott-sei-Dank auch immer latent vorhanden ist. Man könnte sie auf die Formel bringen: "Ich möchte sein". Wenn junge Eltern zum Beispiel davon sprechen, daß sie ihren Kindern vorbildliche Eltern sein möchten; wenn der Mann und die Frau sich gegenseitig das faire Partner-Sein in guten und weniger guten Lebenszeiten versprechen, dann geht es um etwas grundlegend Anderes als um den Geldbeutel und die Karriere. Wenn der Chef einer Firma oder der Abteilungsleiter in einem Betrieb von sich selbst fordern, einen kühlen Kopf zu bewahren, ausgleichend zu wirken und Situationen, in denen alle zu "spinnen" und hysterisch zu reagieren anfangen, ruhig und gelassen gewachsen zu bleiben, dann ist eigentlich immer der Mensch gefordert: seine Reife, seine Erfahrungs- und Lernbereitschaft, seine persönliche Würde und innere Stärke, die die Stürme des Lebens durchzustehen vermag.

Auf solche Haltungen der Menschlichkeit zielt das morgige Evangelium. Wie so oft, schildert es auch hier wieder einfache Lebenssituationen, in denen so oder so die Menschen schon immer gestanden haben und immer wieder stehen werden. Die 10 aussätzigen Männer suchen das Erbarmen Jesu. Sie wollen geheilt werden. Sie wollen etwas haben oder wieder haben, was allen Menschen kostbar ist: die Gesundheit. Alle wurden von Jesus geheilt, heißt es im Evangelium. Aber nur einer kam zurück, um sich vor Jesus dankend auf die Knie zu werfen.

Wer war dieser eine, der zu danken verstand? Er stammte aus Samaria. Er war für die gläubigen Juden ein Fremder, ein Ungläubiger, ein Außenstehender, dem man aus dem Wege ging. Ausgerechnet ihm bescheinigt Jesus, daß er den Heilswegen Gottes näher steht als die sog. Frommen, weil er zum Danken fähig geblieben war; weil er bei aller äußeren Religionslosigkeit vor sich selbst wie vor Gott eine Sensibilität und Offenheit bewahrt hatte für Lebenshaltungen, die den Menschen eigentlich erst zum Menschen machen.

Wer sich also - unabhängig von Stand, Religion und Weltanschauung - einen Sinn für menschliche Würde bewahrt, vermag den Absichten Gottes mit dieser Welt entschieden besser zu entsprechen als jemand, der in der Haltung des "Ich möchte haben" ein ewig Pubertierender, ein kaum zu korrigierender Egoist und Kindskopf bleibt.

Denn so ist es nun einmal mit den beiden Grundtrieben im menschlichen Leben. Der eine führt zur Unersättlichkeit des immer-mehr-haben-Wollens, letztlich zur Unzufriedenheit, zum Hader, zum intolerant-kämpferischen Gehabe in allen Bereichen menschlichen Zusammenlebens. Der andere mobilisiert seine ethischen und moralischen Kräfte. Obwohl schwieriger zu leben, führen sie dennoch zum Frieden mit sich selbst, mit anderen Menschen und mit Gott. Das dankbar-sein-Können wird dabei das äußerlich sichtbare Kriterium dafür, daß ein Mensch zu sich selbst gefunden hat. "Steh auf und geh!" sagt Jesus zu dem Geheilten. "Dein Glaube hat dir geholfen". Man könnte hinzufügen: Er wird dir auch später helfen, wo immer du gehst und stehst.


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