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Pater Fritz Köster
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56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

zu: "Mystik gestern und heute"

Publik Forum, Nr. 23/2001, 54f

Als jemand, der sich sein ganzes Leben lang mit den Naturreligionen Afrikas und Ozeaniens, vor allem auch mit den großen Weltreligionen Judentum, Buddhismus, Islam... beschäftigt hat, habe ich mit großem Interesse den Artikel über "Mystik gestern und heute" gelesen. Dabei ist mir als Christ wiederum die brennende Frage gekommen: Wer war Jesus wirklich?

Sicher kein Dogmatiker wie J. Ratzinger; aber auch kein Mystiker wie Meister Eckhart oder W. Jäger. Wahrscheinlich verkörperte er beide Dimensionen, wie sie dem Menschen nun einmal gegeben sind: das Rationale wie das Mystische. Wer dabei das eine gegenüber dem anderen überbetont, wird der "Incarnatio Dei" nicht gerecht. Als Dogmatiker kann man sich eine große Glaubensgewißheit einreden und als Mystiker eine große Gotteserfahrung einbilden. Beides ist mit Vorsicht zu genießen - was die wachsende Mehrheit der kirchendistanzierten Gläubigen von heute mit Eifer tut. Denn beide vernachlässigen auf sträfliche Weise die Tatsache, daß der Dreh- und Angelpunkt des Christentums eine historische Gestalt ist und bleibt.

In seiner Zeit und Geschichte hat sich Jesus von Nazareth dem Faktischen des konkreten, banal-alltäglichen Lebens ausgesetzt und gerade darin (in der Begegnung mit Pharisäern, Gläubigen, Sündern und Zweiflern) Beispiele gegeben, wie es die Liebe usw. zu praktizieren gilt und wie auf diese Weise das Kommen des Reiches Gottes "schon jetzt" seinen Anfang nehmen kann. Hätte sich das Christentum in allen Lebensbereichen seit 2000 Jahren an diese handfeste Sauerteig-Aufgabe gehalten - die Kirchen stünden heute anders da. So aber wurde die christliche Botschaft auf unterschiedliche Weise in eine Schieflage gebracht: durch die dogmatische Theologie so und durch die mystische Gotteseinbildung anders. Ohne daß beide (sehr begrenzte) Ansätze zu vernachlässigen sind - dem Erfurter Eckhart-Gedenkjahr würde es gut bekommen, wieder dort anzusetzen, wo das Ganze vor 2000 Jahren schon einmal begonnen hat: bei der "Incarnatio" statt bei der (wenn auch immer nur teilweisen) Ignorierung des Menschen und der biblischen Botschaft.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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