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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Thesen, Perspektiven, Impulse

Pastorale Tagung (24.-26.Februar 1997)

  1. Von Papst Paul VI. stammt das Wort: "Der Bruch zwischen Evangelium und Kultur ist ohne Zweifel das Drama unserer Zeitepoche, wie es auch das anderer Epochen gewesen ist "(Ev. Nuntiandi, Nr.2o). Dieses "Drama" ist keine Eintagsfliege, sondern hat sich auf langen geschichtlichen Wegen angebahnt. Heute zeigt es sich in jeder pastoralen Situation darin, daß große Teile des Kirchenvolkes in Fragen von Religion, Kirche und Glaube anders denken und empfinden, als es kirchenamtlich erwünscht und vorgesehen ist. Ein Denken aber, welches keine kirchliche "Behaustheit" findet, zieht sich in die individualisierende oder "sektiererische" Religiosität zurück, wo sie in tausendfacher Vielfältigkeit Wurzeln zu schlagen versucht. Vielleicht gehört die selbstverständliche Distanz von der herkömmlichen Kirchlichkeit "ohne Gewissensbisse" und ohne das Bewußtsein, "daß man/frau etwas Wichtiges dabei versäumt", zu den beunruhigendsten Erscheinungsformen dieses Dramas.
     
  2. Die bisherige Pastoral versucht auf weiten Strecken, mit interessanten und lebensnahen "Angeboten", mit feierlichen Gottesdiensten zu reagieren und im Zusammenhang mit den Sakramenten/Sakramentalien die Menschen "noch einmal" zu erfassen, wozu Lebensumbrüche und -umstände mancherlei Anlässe bieten. Im ganzen gesehen erweckt dieses Vorgehen den nachhaltigen Eindruck, daß Kirche, Glaube und Religion nur punktuell etwas mit dem Leben zu tun haben. Dieses "Punktuelle" wird auch gerne in Anspruch genommen, bleibt aber ohne verhaltensändernde und gesellschaftsgestaltende Kraft. Auf der Seite der "Hauptamtlichen" wächst dabei das Gefühl der Hilflosigkeit und Erfolglosigkeit. Es artet in Frustration und Resignation aus oder läßt sich durch einen Aktivismus bis zum "Es geht nicht mehr" aufsaugen bzw. "auspowern", wie es die innere Struktur und Dynamik einer Organisations- und Angebotskirche vorzugeben scheint.
     
  3. Ein "Paradigmenwechsel" ist das dringlichste Gebot der Stunde. Denn es besteht kein Zweifel, daß sich das Christentum im Laufe der Jahrhunderte zu einer (männlichen) Theologen- und Spezialistenreligion auf hohem akademisch-universitären Niveau entwickelt hat und dabei - ausgenommen sind die folkloristischen Elemente - eine Sprache spricht, die vom einfachen Kirchenvolk nicht nur nicht verstanden wird, sondern auch das konkrete Leben der Menschen nicht zu artikulieren vermag (Das müßten die Leute selbst wieder leisten lernen!). Die Tatsache, daß das Kirchenvolk, falls noch vorhanden, immer mehr aufhört, die Rolle der stummen Zuhörer und religiösen Konsumenten zu spielen, bedarf nicht nur der pastoralen Unterstützung zur Bildung und Entwicklung einer "Theologie des Volkes", sondern muß sich auch der Ängste auslösenden Konsequenzen bewußt bleiben. Die stets postulierte und beschworene Communio-Ecclesiologie ist, wenn sie nicht eine bloße Worthülse bleiben soll, ein wagnisreiches und krisenhaftes Unternehmen, welches viele unbequeme Fragen aufwirft im Blick auf eine zu ermöglichende "Spiritualität aus der Mitte des Lebens", im Blick auf Kirchenstrukturen, Ämter in der Kirche und synodale Entscheidungsprozesse... Spätestens seit dem Konzil zeigt sich: Wenn Fragen einmal aufgeworfen sind, aber aus Unfähigkeit oder Unwilligkeit keine befriedigende Beantwortung finden, lösen sie erdrutschartige Einbrüche aus. Besser wäre es, die Fragen gar nicht erst aufkommen zu lassen - allerdings mit der Konsequenz, daß der Problemstau immer größer wird und das Ausbluten der Gemeinden immer bedrohlicher voranschreitet.
     
  4. Wo das Kirchenvolk wieder als mitgestaltender und impulsgebender Faktor anerkannt wird, stellt sich die Frage nach den elementaren Anliegen der Botschaft Jesu, nach den "Quellen" und dem christlichen Urgestein, welches jede/jeder "sehen" und verstehen kann - wie es damals auch von den einfachen Fischern und Handwerkern schon am besten verstanden wurde. Anscheinend ging es Jesus (wie dem Volk von damals und heute) gar nicht so sehr um ein "Lehrsystem", welches das "Ganze des Glaubens" zu glauben vorgibt; auch nicht primär um feierliche Riten und Liturgien oder gelungene "Sakramentenpastoral", sondern um die "ars vitae" im Sinne und im Namen dessen, was Jesus gesagt, getan und gelebt hat und der es wenigstens ansatzsweise gelingt, "Licht der Welt" und "Stadt auf dem Berge" zu sein. Es muß dringend über den Satz Jesu nachgedacht werden: "Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit und alles andere wird euch hinzugegeben werden" (Mt 6,33) - auch die notwendenden Formen des Kircheseins, die Formen sakramentaler und liturgischer Gestaltung, die immer das Ergebnis des Suchens konkreter Menschen sind; aber niemals das konkrete Fragen und Suchen überlagern oder ersticken dürfen. Denn immer sind es die lebendigen Menschen, über die Gott seine Wege in die Welt sucht. Wer bei allem Theologisieren die Menschen so oder so, bewußt oder unbewußt, schuldig oder unschuldig ignoriert, ignoriert das primäre Ereignis der Menschwerdung Gottes, von dem aus alles seinen Anfang genommen hat und auch in Zukunft immer wieder nehmen muß.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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