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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Betr.: Publik Forum 13/1999, 37ff

Man muß H. Küng und allen möglichen Demoskopen recht geben: was sich im innerkirchlichen Raum unter dem jetzigen Pontifikat abspielt, ist ein Autoritätsverlust der Kirche mit unvorhersehbaren Folgen. Dabei müßte man eigentlich das Gegenteil vermuten. Der Papst tut doch "große Dinge". Von seinen Untertanen bis in die obersten Ränge der Bischöfe und Kardinäle hinein verlangt er das Leichteste und "Bequemste", was man sich denken kann: nichts anderes als Gehorsam und Treue-Eide. Zudem hat er eine beachtliche Bilanz aufzuweisen: Über achtzig "pastorale Reisen" hat er weltweit hinter sich gebracht. Er hat die Massen mobilisiert und begeistert: als "Stellvertreter Christi", den Millionen bei seinen Auftritten nicht versäumen möchten; als "Wundertäter", der die Seligen und Heiligen in den verschiedensten Ländern wie bisher kein anderer über tausendfach entdeckt und kanonisiert hat; als einer, der hohe moralische Maßstäbe setzt; als Hoffnungsträger vor allem der anonymen Massen im Raum einer Kirche, in der es das überall in der Welt wirksame hochexplosive Gemisch von Gut und Bös nicht zu geben scheint.

Bei den trotzdem umstrittenen Bilanzen habe ich - um sie besser verstehen und einordnen zu können? - in den letzten Jahren immer wieder spontan zu zwei Büchern gegriffen: zu J.H. Newmans "Der Antichrist" und J. Piepers "Über das Ende der Zeit". Darin werden - nach dem Zeugnis vieler Theologen der Frühzeit und des Mittelalters - die oben geschilderten Auffälligkeiten nicht dem in der Geschichte anwesenden Christus zugeschrieben, sondern der geschichtlich immer wieder auftauchenden Figur des Anti-Christen. Dieser wird geschildert als "kirchliche Figur", als geschichtsmächtiges Wesen, als Wohltäter der Menschheit, als Menschenfreund und Vertreter einer Pseudo-Ordnung. Mit viel Macht und Herrlichkeit schreitet er durch die Welt. Es gelingt ihm, die Massen für sich einzunehmen. Bei seinen "christusähnlichen Zügen" fällt bei vielen nicht mehr ins Gewicht, was aus biblischer Sicht jedoch das Entscheidende ist: er nimmt die Menschen in ihrer persönlichen Würde und Gewissens-Verantwortung nicht sonderlich ernst, sondern nur sich selbst und seine eigenen Machtansprüche.

In den heutigen Auseinandersetzungen sollte jeder Christ die genannten Bücher lesen. Nicht, um auf selbstüberhebliche Weise irgendeinen Menschen als Anti-Christen zu entlarven, wohl aber, um die eigentlichen Dimensionen geschichtlicher Entwicklungen besser begreifen und darauf reagieren zu können. Letztlich geht es immer um Menschen- oder Gottesglauben, um die Liebe zur Macht oder die Macht der Liebe, um die Wahrheit der Autorität oder die Autorität der Wahrheit. Niemals kommen die Kirchen an der Frage vorbei, ob sie den Mut zu wirklicher Christusnachfolge aufbringen oder ob sie folgenschweren Verschiebungen der Grundlagen des Christentums Vorschub leisten wollen? Vor Versuchungen letzterer Art sind auch die Päpste nicht gefeit.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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