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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Religiöse Erziehung in den Weltreligionen

Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt
Erscheinungsdatum: 1986, ISBN: 3-534-02440-0

Wo es um das mögliche gemeinsame geistige Erbe in der Menschheit geht, ist die Zeit vorbei, dass sich eine Religion aufschwingt, um andere zu bestimmen bzw. so oder so zu beherrschen. Die Religionen müssen selbst sagen, wer und was sie sind und in welcher Weise sie zukünftige Generationen zu beeinflussen gedenken. Selbst hineingerissen in den Umbruch der Zeit und der Gesellschaften, geht es immer wieder darum, die religiöse Erziehung zu orientieren an dem , was für die Welt und für die Menschheit zum Heil und zum Frieden dient.

Weil Ziele und Wege religiöser Erziehung nie endgültig festgestellt werden können, sind sie auch immer wieder "reformbedürftig" und zugleich gefährdet. Um dieser Gefährdung entgegen zu wirken, stützen sich vor allem religiöse Erneuerungsbewegungen weitgehend:

  • auf die Bejahung und zum Teil Überbetonung der eigenen Herkunftsgeschichte, die eine eigene weltanschauliche Position ermöglicht;
  • auf die Unterscheidung des eigenen religiös-kulturellen Ursprungs von anderen Kulturen und Religionen, vor allem vom Christentum, welches in Ländern hinduistischer, buddhistischer und islamischer Prägung allzu lange versucht hat, sich als "dominierende Religion" zu etablieren;
  • auf die Integration erzieherischer Einflüsse von außen, was im gewissen Sinne eine "Synthese" zwischen christlich-abendländischen und eigenen Einflussfaktoren zur Folge hat und neue Gemeinschafts- bzw. Weltbewältigungsformen ermöglicht, deren Geist und innere Struktur als Weiterführung der eigenen Tradition behauptet wird, obwohl sie dem äußeren Anschein nach den christlich-abendländischen sehr ähnlich sind. Immerhin stellen sie Antworten auf die gewandelte Erziehungssituation dar und geben der nachfolgenden Generation Hilfestellung und Hinweis, wie sie sich gegenwärtig und zukünftig verhalten soll;
  • auf die stärkere Betonung der Individualität. Jedoch behält die persönliche Verantwortungsethik eine fundamental gemeinschaftsbezogene Komponente; es geht um Sozialleistungen im Sinne des Aufrechterhaltens religiös-sozialer Ordnungen unter veränderten historischen Voraussetzungen, entschieden weniger um Sachleistungen im Sinne einer technischen Beherrschung und Eroberung der Welt. Man könnte diesen Ansatz religiöser Erziehung eine Erziehung zu Grundwerten bezeichnen, insofern der einzelne, Welt und Gemeinschaft gleichermaßen davon betroffen sind.

Sofern im gewandelten Erziehungsverständnis bewusst und methodisch auf zu Erziehende Einfluss ausgeübt wird, geht es um die Entwicklung und Besserung der im Menschen angelegten religiös-sittlichen Kräfte, um deren Funktion für den Aufbau der Gesellschaft und die Zukunftsgestalt der Welt, was der religiösen Erziehung eine "ökumenische Komponente" gibt im Sinne des gemeinsamen Verpflichtetseins gegenüber gemeinsamen Weltaufgaben. Innerhalb der Religionen könnte man von einer Erziehung zur Einheit von Spiritualität und sozialem Engagement sprechen, die im hinduistisch-buddhistischen Raum unter besonderen mönchischen Voraussetzungen stattfindet, im islamischen unter missionarisch-politischen.

Dieser Wille zu innerer und äußerer "Einheit" ist nicht dazu angetan, die gravierenden Unterschiede und Verschiedenheiten religiöser Traditionen aus der Welt zu schaffen. Wohl aber können vorhandene oder auch wachsende Gemeinsamkeiten verschiedener Religionen und Kulturen die notwendigen geistigen Voraussetzungen dafür sein, Menschen zu gemeinsamem Handeln anzuleiten, um die Welt mehr als bisher in eine Welt der Wahrheit, der Liebe und des Friedens zu verwandeln. Wenn die Religionen die "Zeichen der Zeit" zu erkennen imstande sind, vermag aus der Una Sancta Christianorum eine Una Sancta Omnium Religionum (F. Heiler) zu werden. Das schließt die Möglichkeit nicht aus, dass das Erreichen des Zieles gemeinsamer Anstrengungen einer noch fernen Zukunft vorbehalten bleibt.


Letzte SeitenÄnderung: 08.03.2005.
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