www.fritz-koester.de
Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Zum Jahr der Bibel 2003:
Die Bibel, die nicht nur Christus kennt, auch den Anti-Christus.

September 2003

Immer wieder ist in der Bibel von "Licht und Finsternis" die Rede, vom Kampf zwischen dem Guten und Bösen, zwischen den guten und bösen Geistern. Im Leben Jesu erfährt dieser Kampf seine Zuspitzung gegen den "Satan". Vor allem in Zeiten der Unsicherheit und der geschichtlichen Katastrophen haben sich Menschen diese Fakten in Erinnerung gerufen. Sie haben den "kosmischen Geisteskampf" bedacht, der das eigentliche Thema der Weltgeschichte ist. Biblische Beispiele belegen es: der einstürzende Turm zu Babel; der Augenblick des katastrophalen Endes Jesu am Kreuz; die Zeit der Krise des spanischen Christentums nach der islamischen Invasion (711); die Religionskriege nach der Reformation (1517) usw.

Die apokalyptischen Untergangsszenarien, wie sie in Mathäus 24 und bei Lukas 21.5ff geschildert werden, finden in 2. Thess. einen entscheidenden Höhepunkt. Satan, der Gegenspieler Gottes, wird hier als "Antichristus" apostrophiert. Er ist kein reines Geistwesen, kein "gefallener Engel", sondern "Fürst dieser Welt" (Lk 4.6), also ein geschichtsmächtiges Wesen. Wäre er nur ein "Ketzer" oder "Häretiker", bliebe er ausschließlich kirchenintern interessant. Aber er ist ein weltlicher Machthaber, eine eminent geschichtlich wirksame Figur, die eine ungeheure Macht und Faszination über die Menschen ausübt. Nicht durch Gewalt und Terror, sondern unter dem Anschein des Guten und Wohltätigen. Es scheint so, als wäre er Christus selbst. Er tut so, als wäre er der Messias...

Deshalb zieht er die Menschen in seinen Bann. Er täuscht viele durch eine Pseudo-Ordnung, die er errichtet. Ihm gelingt Vieles. Man könnte sagen: "angefangen bei technischen Leistungen bis zu Gütererzeugng und Hygiene". Sein äußeres Ordnungsgefüge wird für das einzig echte und wahre gehalten. In Wirklichkeit ist es totalitär, ohne die Ermöglichung von Freiheit und Würde. -

Der Antichrist tritt auf als "Imitatio Christi". Seine Lügenhaftigkeit und Scheinheiligkeit wirken wie echte Heiligkeit, der viele zum Opfer fallen (2 Thess 2.1-12). Die Kraft seines Täuschenkönnens läßt viele in die Irre gehen. Sie müssen der Lüge glauben, weil er als großer Spiritualist auftritt, als Asket, als Menschen- und sogar Tierfreund, der durch scheinbare Liebe, Uneigennützigkeit, Hilfsbereitschaft, Barmherzigkeit und Wohltätigkeit die Gleichheit der allgemeinen Sättigung erreicht; der zugleich "Störenfrieden" seines Herrscherwillens mit Härte und Strenge begegnet. Theologen wie H. Schlier, E. Stauffer u.a. sprechen von einem "Machtbesessenen", der aber als solcher nicht zu erkennen ist. Er schafft Gewaltverhältnisse, in denen sich militärische, politische und wirtschaftliche Zusammenschlüsse vollenden - die sogar eine religiöse Einheitsfront aufbauen. Denn die sich absolut setzende Kraft des Antichristen erfaßt die Menschen restlos, ihre physische Existenz wie auch ihre persönliche Religiosität. Der Kult ihm gegenüber wird durch "priesterliche Propaganda" betrieben, unterstützt durch "wunderähnliche Zeichen".

Die Apokalypse des Johannes schildert die wunderähnlichen Zeichen des großen Widersachers Christi und seiner Getreuen, des aus dem Himmel gestürzten Drachen (12.7-13). Sie machen auch seine "Erfolge" aus, die zugleich überwältigend und brutal sind. In Kap. 13 heißt es: ein blendender Glanz geht von ihm aus; er betört durch seine gewaltige Redekunst; ihm steht eine faszinierende, überwältigende Macht zu Gebote; ein enormer Erfolg ist ihm beschieden; ihm ist eine spektakuläre Wunderkraft eigen; ihm zu Ehren werden aufwendige Liturgien zelebriert; er scheint unsterblich zu sein und sieht Christus täuschend ähnlich...

Diese Faktoren sind es auch, die ihn zum Motor des Abfalls von den wahren Absichten Jesu machen. Denn viele fallen ihm zum Opfer. Sie merken nicht, wie lügenhaft seine Maßnahmen und Zeichen sind. Obwohl diese letztlich nur auf ihn selbst und seine Machtansprüche verweisen, wird er von den meisten nicht durchschaut als der eigentlich Gesetzwidrige, der Widersacher Christi, der "Sohn des Verderbens" (2 Thess 2.3ff).

Als solcher ist er zugleich der "Vorläufer Christi", der sich in den Tempel setzt. E. Kant identifiziert ihn als eine "kirchliche Figur". Indem die Priester Kult, Sakramente und Glauben an die Heilsgeschichte zu wesentlichen Pflichten machen, es aber versäumen, "sittliche Grundsätze ans Herz zu legen", tun sie alles, was erforderlich ist, um den Antichristen einzuführen. - Und S. Kierkegaard meint, das eigentliche Elend der Kirchen sei die mangelnde und stark vernachlässigte "Einübung ins Christentum". -

Dennoch tritt am Ende der Zeit dem Anti-Christus ein Widersacher entgegen. Dieser spielt eine große Rolle im "Endspiel" des vollkommenen Sieges Gottes und der Niederlage seiner Widersacher. Im Drama der Apokalypse tragen zwei Figuren den Konflikt aus: der "Sohn des Verderbens" und die wunderschön-prächtige Himmelsfrau. Diese wurde und wird oft als Maria gedeutet, oder als "Kirche", oder als "Tochter Sion", d.h. als "Volk Gottes". Letzteres ist mit "Kirche" gemeint - nicht die später verkitschte und verzweckte "Mutter Kirche", sondern deren "ursprüngliche Leuchtkraft". Es ist die Kirche der "sieben Gemeinden" (Offbg 1.9-20). Deren Kraft und Ausstrahlung sind nicht zu finden bei den gescheiten Experten, nicht in der hochtrabenden theologischen Bildung, nicht in ihrer selbstgefälligen Weltfremdheit bzw. in ihren inneren Widerspüchen, sondern in der Gemeinschaft der seliggepriesenen "Unmündigen" und "Ungebildeten" (Mt 11.25ff).

Im Schoß dieses Gottesvolkes, inmitten der "sieben Leuchter", der "sieben Sterne", der "sieben Gemeinden" wird immer wieder Christus geboren, wurzelt und wächst für die Welt und Menschheit heilsame und erlösende Zukünftigkeit. In ihnen bereitet Christus auch den endgültigen Sieg Gottes vor.-

Bevor dies aber geschieht, tritt der alte Drache noch einmal hervor - mit aller Macht und Wirksamkeit. Er spiegelt zwei Untiere wider (Offb. 13): eines stammt aus dem Meer, das andere aus der Erde. Sie zwingen die Menschen zur Anbetung und verfolgen grausam und mit List alle, die sich verweigern. Die Tierbilder deuten auf die Abfolge vierer Weltreiche hin, wie das Buch Daniel sie schildert (Dan 7.2-8).

Der Drache bedroht die schwangere Frau. Das Drama des Endkampfes läuft in fünf Akten ab (Offb 12.1ff - 14.20): die Frau flieht in die Wüste, das Kind wird vor dem Drachen gerettet; der Krieg der Engel im Himmel und der Sturz des Drachen; der Krieg auf Erden, angezettelt von dem gestürzten Himmelsdrachen, der die Verfolgung der Frau aufnimmt; der scheinbare Sieg des Verfolgers, der sich am Auftritt der beiden tierischen Potentaten weidet und schließlich: der Sieg Gottes und der Jubel seiner Getreuen; das Gericht Gottes über alle Nationen, Völker und Sprachen...

Viel ist im Laufe der Jahrhunderte über solche Bilder der Schrift, die das "eigentliche Thema" der Weltgeschichte zum Ausdruck zu bringen scheinen, gerätselt und gedeutet worden. Sie sind nicht geeignet, Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen, sondern rufen zur Wachsamkeit auf. Denn die eigentlichen Raffinessen des Bösen und seiner Repräsentanten sind schwer zu durchschauen, weil sie im Gewand des Guten auftreten. Menschen mit ihren hinfälligen und unberechenbaren Ansprüchen vermögen sie nicht zu besiegen. Sie vermögen nur Zeugen der großen Hoffnung zu werden, daß die Macht Gottes einst die Endgültigkeit des Heils besiegelt. Der Triumph Gottes über alle Mächte und Gewalten geschieht nicht mit List und Gewalt, sondern durch das Lebenswerk des Gekreuzigten. Ihm ist es gegeben, der Diener aller zu sein und der Gemeinde der Gläubigen ein Beispiel zu geben, wie durch gottgemäßes Leben Zukunft jetzt schon beginnen kann.


Letzte SeitenÄnderung: 02.03.2011.
Bitte beachten Sie meine Nutzungsbedingungen.