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Pater Fritz Köster
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56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Gedanken über ZeitenWende - WendeZeiten (IX):
Der neue Papst und die vielen Gesichter des Glaubens.

Mai 2005

Für Deutschland war es ein sensationelles Ereignis, als nach ungefähr 500 Jahren zum ersten Mal wieder ein Deutscher Papst wurde. Der weiße Rauch aus dem Schornstein des Vatikans, das "habemus Papam", kündeten die Wahl Benedikts XVI. zum neuen Kirchenoberhaupt an. Dennoch war der Jubel nicht ungeteilt...

Josef Ratzinger hatte sich seit dem 2. Vatikanischen Konzil als ein Mann "mit zwei Gesichtern" einen Namen gemacht. Zur Zeit des Konzils galt er als äußerst aufgeschlossener, moderner Theologe und Berater des Kölner Kardinal Frings. Seit den "wilden 68ger Jahren" war er, offensichtlich geschockt von der "neuen Elite" Jugendlicher, ins konservative Lager umgeschwenkt. Er hat in der Folgezeit maßgeblich dazu beigetragen, dass die große Mehrheit der Konzilsteilnehmer von einer kleinen, aber einflussreichen Minderheit ins kirchliche Abseits, in die Einflusslosigkeit, verwiesen wurde - durch entsprechende Bischofsernennungen, Ämterbesetzungen und Ausgrenzungen. Als Vatikanischer Glaubenshüter galt er 20 Jahre lang als "Hardliner", als "Panzer-Kardinal", als Reaktionär und "Wiederhersteller" einer angeblich besseren kirchlichen Vergangenheit.

Welches wird als Papst sein "drittes Gesicht" sein? Was am neuen Papst auf jeden Fall geschätzt wird, ist seine bedeutende, international anerkannte Theologie. Er hat hervorragende Bücher geschrieben. In diesem Punkt jedenfalls herrschen Einmütigkeit und Stolz. Dennoch stellt sich die Frage: ist die große theologische Intelligenz, die das abendländische Christentum schon seit Jahrhunderten auszeichnet, heute nicht eher ein Hindernis, ein Handicap? Denn das hohe theologische Niveau hat im Umbruch der heutigen Lebensverhältnisse nicht verhindern können, dass die Kirche(n) den Kontakt zur großen Mehrheit der Bevölkerung verloren haben. Auch zu der wachsenden Mehrheit von Menschen, die sich als "religiös" bezeichnen, aber keineswegs kirchlich oder konfessionell gebunden sein wollen. Wie man den gegenwärtigen Problemen gerecht zu werden vermag - darüber streiten sich "Konservative" und "Fortschrittliche". Aber geht es wirklich nur um die Alternative: "konservativ" oder "fortschrittlich"?


Der neue Papst und die vielen Gesichter des Glaubens.

Folgende Gedankenanstöße sollten nicht gelesen und können auch nur verstanden werden im Zusammenhang mit den vorherigen Beiträgen, bes. Nr. 8 vom 5. April 2005: Der Tod des Papstes und die dahinsiechenden Kirchen. Hier geht es um die Frage, was es für den neuen Papst zu tun gilt? - nicht aus Beliebigkeit und Laune, sondern weil die Zeit drängt.

Gedankenanstöße und Dringlichkeiten.

  1. Aus der ursprünglichen "Jesus-Nachfolge-Bewegung" von Fischern und Handwerkern, einfachen Männern und Frauen wurde eine Theologen- und Spezialistenreligion; aus der Lebenskultur von "Mühseligen und Beladenen" eine Klerikerkultur mit hohem akademischen Anspruch und mittelalterlich-feudalen Ausdrucksformen. Das hat bis in unsere Zeit dazu geführt, dass die Kirche "zu straffe Zügel, zu viele Gesetze ... erließ, von denen viele dazu beigetragen haben, das Jahrhundert des Unglaubens im Stich zu lassen, anstatt ihm zur Erlösung zu verhelfen" (J. Ratzinger als Konzilstheologe).
     
  2. Aus der "Wahrheit in Person" wurden dogmatische Wahrheiten und kirchenrechtliche Gewissheiten; aus der Bindung an Jesus und dem primären Glauben an Gott wurde der vorrangige Glaube an die Kirche, ihre Sakramente und Ämter. An deren "Tropf" hing der Glaube der Gläubigen - ein Glaube "in Abhängigkeit", der heute rasant schwindet.
     
  3. Aus dem Dialog Gottes mit der Welt, dessen Hauptthemen die Zeichen der Zeit und die Herausforderungen des Lebens sind, wurde ein akademischer Dialog in den Chefetagen der Kirchenämter und Universitäten. Dessen kluge und kenntnisreiche Ergebnisse wirken wie Schneeflocken in der Wüste, die unten auf der Erde, d.h. im Volk weder ankommen noch verstanden werden.
     
  4. Ein Dialog der Kirchenobrigkeiten mit dem eigenen Kirchenvolk (gemeint ist die noch denkende und mit gutem Willen ausgestattete Schicht) hat in der monologischen Verkündigungsstruktur de facto noch nicht stattgefunden. Deshalb spielen Regeln, Gebote und Liturgien auch nicht die Sprache des Volkes wider, sondern die Sprache der Spezialisten in Sachen "Christentum und Religion". Fast in allen kirchlichen Lebensvollzügen bewahrheitet sich das Wort des 33-Tage-Papstes Johannes Paul I: "Die Menschen verlassen die Kirche, weil die Kirche sie zuerst verlassen hat".
     
  5. Ein Dialog mit dem Kirchen- und Christenvolk ist das Gebot der Stunde. Dieser gelingt nicht (mehr) auf der Ebene abstrakter theologischer Wahrheiten (die es vom Volk katechismusartig zu lernen und aufzusagen gilt), sondern auf der Ebene faktisch gelebter und erprobter Werte und Lebenserfahrungen der Gläubigen selbst, wie das Evangelium sie bereits aufzeigt. Ebenso sollte die Kirche nicht immer wieder sündigen, indem sie dogmatisiert, was nicht zu dogmatisieren ist: die Frage des Zölibates, der Rechte und Kompetenzen von Männern und Frauen, der Ämterbesetzungen, der monarchisch-zentralistischen Verfassung usw. Vieles wäre veränderbar, wenn dem biblischen Denken Raum gegeben würde. Man kann Menschen die Lektüre der Bibel nicht empfehlen und gleichzeitig so tun, als habe das mit der Kirchenrealität nichts zu tun. Wie es ursprünglich war: bewährte Männer und Frauen müssen wieder in den Blickpunkt treten - auch als Weihe- und Ämterkandidaten/Innen. Diese müssen, um im Leben "anzukommen", aus dem Volk herauswachsen und gemeinsam von Gott und vom Volk ihre Beauftragung und Sendung erhalten.
 


Letzte SeitenÄnderung: 02.03.2011.
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