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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

Unglaublich, was Christen glauben (VI).

März 2004

Für Betroffene ist es erschreckend zu beobachten, wie sehr das "Image" der Kirchen einen Tiefstand erreicht hat. Wenigstens seit dem 2.Weltkrieg ist es immer mehr "bergab" gegangen. War Hochhuths "Stellvertreter" der entscheidende Auslöser? Oder das Verhalten wichtiger Kirchenfürsten während der NS-Zeit? Ist der allgemeine Säkularisierungsschub, der durch unsere Gesellschaften geht, daran schuld?

Man kann die Fragen bis ins Unendliche weiter stellen, ohne eine eindeutig-plausible Antwort zu finden. Faktum ist: mit dem "Imageverlust" der Kirchen sinken auch der Wert und die Bedeutung des "Substantiellen", worum es ursprünglich ging und überhaupt geht? Auf das "Nein zur Kirche" in weiten Kreisen folgt automatisch das "Nein zu Jesus" und dem, was er wirklich gewollt hat...

Im Folgenden soll nur eine Frage und eine Antwort versucht werden, die mit persönlichen Fragen und Zweifeln etwas zu tun haben. Es geht also nicht um "die Kirche", auch nicht um deren "frohe Botschaft", sondern zunächst um uns selbst.


VI. Es lohnt sich, Christ zu sein - trotz Fragen und Zweifel.

In einer Zeit des Umbruchs und der neuen Unsicherheit ist es für Christen sehr schwer geworden, ihr "Christsein" genauer zu begründen und das Wort "Pfarrgemeinde" klar zu definieren. Wozu sind wir als Christen und als Gemeinde überhaupt gut? Viele stellen sich eine solche Frage. Wenn dann "Abständige" und "Atheisten", die keine Christen sind oder mit der Kirche "nichts am Hut" haben, auch eine solche Frage stellen - was können Christen darauf antworten?

Manche neigen dazu - sozusagen wie aus der Pistole geschossen - herkömmliche und altbekannte Antworten zu geben:

  • als Christen feiern wir Gottesdienste und Sakramente;
  • als Christen hören wir uns gerne eine gute Predigt an;
  • als Christen reden wir miteinander, in Gruppen und Gesprächskreisen;
  • als Christen lesen wir die Bibel, beten, singen miteinander;
  • als Christen feiern und tanzen wir aus allen nur denkbaren Anlässen;
  • als Katholiken haben wir einen Papst und ein unfehlbares Lehramt...

Wo es um theologische oder "typisch kirchliche" Anliegen geht, werden von heutigen Zeitgenossen immer wieder kritische Rückfragen gestellt:

  • hat das nicht alles mit der Erhaltung des "Systems Kirche" zu  tun?
  • was hat das alles mit Deinem Leben zu tun; mit Deinen alltäglichen Sorgen und Berufsaufgaben; mit Deinen Begegnungen mit Freunden und Feinden; mit Deinen Mitbürgern/Innen, die keine Christen sind oder sich "konfessionslos" nennen?

Die Antworten auf solche Fragen können nicht mehr einfach "kirchlich-theologisch" gegeben werden. Es herrscht eine gewisse "Kirchen-Allergie" vor. Sehr oft hilft der Katechismus nicht weiter. Auch Hirtenbriefe und kluge theologische Traktate sind oft "ziemlich weit weg vom Leben", d.h. von meinem Leben, von meiner Lebenssituation und von den kritischen Rückfragen anderer. Auch sakramentale Feiern wirken oft nur solange, bis die Zeit der "Erbaulichkeit" vorbei ist. Danach ist und bleibt alles wieder beim Alten... Ein solcher Gesamteindruck wirkt verunsichernd und wirft Zweifel auf - für viele ein erster Schritt in die "innere" oder auch "äußere Emigration".

Konkrete Fragen, die etwas mit einem konkreten Menschen, mit mir, mit uns selbst und dem persönlichen Glauben und Christsein zu tun haben, machen viele eher ratlos als gesprächig, d.h. je persönlicher Menschen über ihr eigenes Leben nachdenken, desto "weiter weg" sind allgemeine Antworten, die den Anspruch erheben, "für alle gültig" zu sein. "Theoretisches" kann Heutigen in ihren unterschiedlichen Lebenslagen vielfach nichts mehr geben.

Es wird wichtiger als je zuvor, daß Christen selbst das Denken üben und lernen, besonders auch in religiösen Fragen. Da melden sich in den eigenen Reihen gleich Bedenken: Wo kommen wir denn hin, wenn jede/jeder eine eigene Meinung hat? Kann man den "Glauben" beliebig verstehen und diskutieren?

Zunächst steht Eines fest: heute, in einer Zeit persönlicher und sozialer Umbrüche, können Menschen - wenn es um Christentum und Kirche geht, aber auch sonst - nicht mehr von oben nach unten denken. Als erstes müssen sie darauf bestehen, nach sich selber zu fragen: nach dem, was sie im Leben treibt und antreibt; nach dem, was sie von Jugend an bewegt und was wichtig geworden ist; nach dem, was ihre Sorgen, Ängste, Siege und Niederlagen ausmacht; nach dem, was sie selbst sind: mit ihren Gaben und Fähigkeiten, Schwächen und Stärken, persönlichen Einsamkeiten und sozialen Bindungen; nach dem, was ihre bisherigen - sie prägenden - Lebenserfahrungen und Hoffnungen sind?

Wenn es auf Anhieb auch sehr "egoistisch" klingt, müssen sie dennoch zunächst ihren Ich-Zustand klären, um dann auch Fragen an sich herankommen zu lassen, die die Menschheit schon immer beschäftigt hat und die für Christen noch einmal eine besondere Färbung erhalten haben:

  • was hat das, was ich bin, mit der Frage nach Gott zu tun?
  • was hat das mit einem Gott zu tun, den wir "Schöpfer des Himmels und der Erde" nennen, also auch unserer Mitmenschen?
  • mit Jesus Christus, seinem "exemplarischen Denken und Handeln"?
  • mit seinen von ihm vorgelebten Werten und Haltungen?
  • mit seiner heilsamen und befreienden Botschaft?
  • mit seinen erlebten Feindschaften bis zum Tod am Kreuz?
  • mit seinen Zukunftsperspektiven, die das Werden und Wachsen des Reiches Gottes betreffen?
  • mit seinem heilsgeschichtlichen Denken, in dem jeder Mensch seinen Platz und seine Rolle hat?

Es stellt sich mit anderen Worten die Frage: kann sich ein Christ mit Jesus - oder einem Menschen in seiner Nachfolge bis in unsere Generation hinein - identifizieren?: z.B. mit eigenen Eltern, mit Martin Luther King, mit einem Lehrer oder Priester, dem Papst usw? Was wird dabei, was ist dabei wichtig (geworden), was tragfähig für die persönliche Lebens- und gemeinsame Weltgestaltung?

Unterschiedliche Menschen in einer Gemeinde beantworten solche Fragen sehr unterschiedlich. Jede/jeder entwickelt dabei eine eigene Meinung und "Option". Solche Verschiedenheit kann zu Gegensätzlichkeit führen, zu Unverständnis und Befremden untereinander. Das passiert meistens dann, wenn jemand meint, seine persönlichen Gedanken "dogmatisch" für andere verpflichtend zu machen; wenn jemand anfängt, ein "Lehramt" für alle anderen zu spielen...

Verschiedenheit kann aber auch zu einem vielstimmigen Orchester werden: mit unterschiedlichen Tönen und Instrumenten, die nun einmal zur Gewalt und Kraft eines Orchesters gehören. Ein solches "Orchester" ist notwendig, wenn Gottesdienste und Sakramente "Bodenhaftung" bekommen sollen. Die "Symphonie" von verschiedenen Menschen und Charakteren ist Voraussetzung für aufrichtige Zusammenkünfte und wahre Gottesdienste. Denn die "Ehre Gottes" - das sind lebendige Menschen.

Darin bestehen auch Sinn und Aufgabe von Christen und christlichen Gemeinden auf Zukunft hin: im Namen Jesu jene befreiende Kraft und Lebensfreude zu entfalten, wie sie seit 2000 Jahren Erneuerungsbewegungen und Gemeinden immer wieder gelungen sind.


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