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Pater Fritz Köster
Propsteistraße 2
56154 Boppard-Hirzenach
Alles Leben ist Herausforderung,
welche nach Antwort verlangt.
   
Bild: Pater Fritz Köster SAC.

"Werte" sind mehr gefragt als "Lehren" und menschengemachte Ideologien.

Juli 2003

In der heutigen Zeit allgemeiner Orientierungs- und Wurzellosigkeit ist die Suche nach Werten an sich von größerer Bedeutung als die Verkündigung und Vorstellung von zu erlernenden Lehren und Ideen. Die Gründe sind folgende:

  1. Der Mensch braucht "Werte" wie die Luft zum Atmen, damit er sich daran orientieren und das Leben tragfähig gestalten kann. Akademische Lehren haben die Tendenz zu Abstraktionen, Begriffshantierereien und Gedankenakrobatik, die ihren Sinn schon dadurch verlieren, dass ihnen der "Sitz im Leben" abhanden kommt. Deshalb finden sich immer weniger "Zuhörer". Die Einübung in Werte wie Liebe, Friedensfähigkeit, Toleranz, Gerechtigkeit... wird prioritäre Aufgabe.
     
  2. Christliche Werte müssen eine möglichst große Nähe zu Christus und zum Evangelium haben; ebenso zu Menschen, die ihr Leben am "Wertekatalog" Jesu verbindlich gestalten und ausrichten. Solche Menschen sitzen - wie die Erfahrung seit 2000 Jahren zeigt - nicht unbedingt in den Amtsstuben der kirchlichen und weltlichen Behörden. Bei Menschen im Leben geht es immer um die Klärung der Frage, welche evangeliumsgemäßen Werte heute besonders wichtig, wie tragfähig und wie glaubwürdig sie sind - selbst noch in Zeiten ihrer Vernachlässigung und bei Versagensgeschichten. Solche Grundausrichtung im Leben zielt auf die "getane Wahrheit"; auf eine Wahrheit, die sich im Leben bewährt. Jede abstrakt-akademische gerät dabei ins Hintertreffen.
     
  3. Werte gestatten am meisten die Entwicklung einer Gesprächskultur (statt Diskussionsrunden), an der sich alle (möglichst viele) beteiligen können, weil damit Erfahrungen, Ängste, Sorgen, Nöte, Erfolge und Niederlagen verbunden sind. Diese werden zur Sprache gebracht, werden unverzichtbar wichtig, wenn es darum geht, das Leben, so wie es ist, zu erhellen und zugleich zu festigen. Solche Gesprächskultur ist auch der beste Boden für das Entstehen "natürlicher Autoritäten", geeignet für Leitungsämter und für die Berufung zu besonderen Diensten. Heute zeigt sich in allen Lebensbereichen, dass selbsternannte Autoritäten de facto autoritätslos bleiben und kein Gehör (mehr) finden - ein für die Kirchen unübersehbares Existenzproblem.
     
  4. Leben und Lebensorientierung nach gemeinsamen Werten schafft Gemeinschaft - Voraussetzung für die "Gnade" bzw. für die den Christen verheißene "Anwesenheit Gottes im Leben" und in der Geschichte. Auf unglaubliche Weise kann wieder wahr werden, was die alte Theologie schon immer lehrte: die Gnade setzt die Natur voraus! - weniger das Amt bzw. Amtsträger. Während herkömmlich hartnäckig auf "Ämter" gepocht wird, geht es heute um glaubwürdige, "exemplarische Menschen" (K. Jaspers). Wo Letzteres nicht oder wenig vorhanden ist, wird "das Amt" zu einer Karikatur, die nichts taugt und kein Gehör findet.
     
  5. Es kann so etwas entstehen wie eine Gemeinde bzw. Gemeinschaft von Christen als "Licht der Welt", als "Salz der Erde", die dem Leben Würze und Sinnorientierung verleihen, die zum Leben vor dem Tod verhelfen, zugleich Perspektiven für das Leben nach dem Tod eröffnen.

Auf einen Nenner gebracht, kann zusammenfassend festgehalten werden: da solche Werte-Pädagogik weitgehend abhanden gekommen ist, kann es nicht ausbleiben, dass sich das Christentum in die Sackgassen "unfehlbarer Lehren" verrennt, zu einem "klerikalen Brei" wird (so eine große deutsche Tageszeitung), statt Kräfte zum Leben freizusetzen. Besonders auch das römisch-katholische Christentum ist hinkend und einäugig geworden. Dem kirchlichen Lehramt und der wissenschaftlichen Theologie fehlt der Boden unter den Füßen, d.h. das "Lehramt der Gläubigen", der "consensus fidelium".


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